14-06-2007

So träumen die Pferde  

Pferde ruhen im Stehen und Liegen, doch für ihre optimale Erholung muss ein Liegen in der Seitenlage mit voll ausgestreckten Beinen möglich sein.

 

Dämmerzustand schon im Stehen

Pferde ruhen im Stehen und im Liegen. Etwa ein Drittel eines Tages, meist sechs bis acht Stunden, werden zum Ausruhen benötigt. Fohlen haben längere Ruhezeiten, sie liegen oft bis zu zehn Stunden. Ausgewachsene Pferde verbringen gut die Hälfte ihrer Ruhezeit im Liegen, der andere Teil aber wird ganz charakteristisch im Stehen „verdöst“. Dösen ist ein Zwischenzustand zwischen Wachen und Schlafen. Die Tiere zeigen hier bereits eine leicht herabgesetzte Atemfrequenz, geschlossene Augenlider und eine entspannte Muskulatur. Ein Pferd entlastet beim Dösen regelmäßig eines seiner beiden Hinterbeine, indem jeweils ein Huf nur mit der Vorderkante aufgesetzt wird. Nach gut vier Minuten wird diese charakteristische Stellung dann auf das andere Hinterbein gewechselt. Vor allem ältere Pferde, welche beim Hinlegen und Aufstehen schon Schwierigkeiten haben, dösen so auch Nachts bevorzugt nur im Stehen.

 

Tiefschlaf nur im Liegen

Tief schlafen aber kann das Pferd nur im Liegen. Das Hinlegen erfolgt beim Hauspferd dabei in sehr charakteristischer Weise. Zunächst werden die Beine unter dem Körper versammelt, dann die Vorderfusswurzelgelenke leicht und anschließend alle vier Beine fast gleichzeitig gebeugt. Das Aufstehen beginnt dann immer mit einer Streckung der Vorderbeine und mit einer Aufrichtung des Vorderkörpers. Pferde schlafen bevorzugt Nachts, der Tiefschlaf wird in einer Brustlage oder aber in einer ausgestreckten Seitenlage durchgeführt. Der Tiefschlaf wird hierbei in zwei verschiedene Intensitätsstufen unterteilt. In der Brustlage wird der sogenannte „Slow-Wave-Schlaf“ durchgeführt. Herz und Atemfrequenz sind deutlich reduziert, das Pferd schläft ruhig und tief. In der ausgestreckten Seitenlage kann man beim Pferd noch eine weitere Schlafphase, den „Rapid-Eye-Movement-Schlaf“ beobachten. Er wird bei allen Säugetieren für die eigentliche körperliche Erholung verantwortlich gemacht. Hier zeigt das Pferd ausgeprägte sehr kurze Tiefschlafphasen die mit schnellen Augenbewegungen und auch mit unwillkürlichen Muskelzuckungen an den Gliedmassen verbunden sind. Insgesamt also ein scheinbar doch paradoxes Schlafverhalten, das meist nur fünf Minuten dauert. Die Tiere können in diesem Zeitraum auch nur mühsam aufgeweckt werden. Entzieht man Pferden diese Tiefschlafphasen, dann können ganz erhebliche Gesundheitsschäden folgen. Saugfohlen und jüngere Pferde liegen oft und länger in der Seitenlage, bevorzugt auch im Herdenverband. Ältere Pferde können die Seitenlage dagegen meist über nur 15 bis 25 Minuten einnehmen, da es, bedingt durch das höhere Gewicht ihres Oberkörpers, eher dann zu einer Beeinträchtigung der Lungenfunktion kommt.

 

 

Charakteristische Ruhephasen

Über den ganzen Tag verteilt zeigt ein Pferd ganz charakteristische Ruhephasen. Diese sind in der Dunkelheit normalerweise deutlich länger ausgeprägt, doch Mutterstuten liegen bevorzugt auch tagsüber mit ihren Fohlen. Auf der Weide genießen die Pferde nicht selten im Liegen auch die Morgensonne. Während der Helligkeit ist ein Pferd über gut 90 Prozent der Zeit wach. In der Dunkelheit ist das Pferd 70 Prozent der Zeit wach, verbringt davon aber schon 30 Prozent mit Dösen. Tiefschlafen mit dem „Slow-Wave-Schlaf“ wird in der Nacht insgesamt über fast zwei Stunden ausgeführt, der „Rapid-Eye-Movement-Schlaf“ zeigt bei ausgewachsenen Pferden in optimaler Haltung gut 10 Einzelphasen über jeweils höchstens fünf Minuten. Allgemein werden gerade die erholsamen Tiefschlafphasen nur in einer vertrauten Umgebung durchgeführt. So legen sich Pferde in einer für sie neuen, noch ungewohnten Umgebung, zum Beispiel auch nach dem Weideauftrieb, zunächst wenig hin. Oft erfolgt in der ersten Nacht auf der Weide, manchmal auch im neuen Stall, überhaupt kein Tiefschlaf. Nach dem Weideauftrieb wird das Tiefschlafverhalten dann erst nach vier Wochen wieder normalisiert. Reichliches Futterangebot, auch energiehaltiges Stallfutter zum Beispiel an Leistungspferde, verlängert die erforderlichen Ruhezeiten. Grundsätzlich müssen sich die Pferde aber auch wohl fühlen, um ausreichende Ruhezeiten einhalten zu können. So sind gerade die Tiefschlafphasen im Herdenverband auch deutlich häufiger als bei einer Einzelhaltung ausgeprägt. Absatzfohlen reduzieren ihre Schlafzeiten andererseits bei einer Einzelhaltung um fast 25 Prozent. Ein eindeutiger Hinweis hier auf das nicht artgerechte Haltungsverfahren für das junge Aufzuchtspferd. Doch selbst im Laufstall ist zu beachten, dass extrem rangniedere Tiere nicht nur bei der Futteraufnahme, sondern auch beim Schlafen gestört werden können.

 

Die Seitenlage muss möglich sein

Für eine optimale Erholung müssen Pferd die Seitenlage mit voll ausgestreckten Beinen einnehmen können. Dies ist bei der Planung von Stand- und Liegeflächen und beim täglichen Umgang mit dem Tier zu beachten. Auch zu kurz angebundene Pferde können sich nicht in der ausgestreckten Seitenlage hinlegen. Bei längerem Transport muss das Schlafverhalten des Pferdes beachtet werden, bei Dunkelheit sollten Pferde daher möglichst nicht transportiert werden. Bei Turnieraufenthalten ist zu beachten, dass den Pferden auch hier ausreichend Liegeplatz für die Seitenlage angeboten wird. Mangelnde oder gar fehlende Tiefschlafmöglichkeiten, auch schon über einen kurzen Zeitraum, führen beim Pferd bereits zu deutlicher Leistungsdepression. Langfristig gestörte Ruhephasen werden zusätzlich massive Gesundheitsstörungen und auch Verhaltensanomalien auslösen.

 

Dr. Ines von Butler-Wemken

 

Bilder: vBW u. Alfs