20-11-2006

Nachgefragt

 

Jörg Bös zu den Änderungen bei der Jungpferdeprüfung:

 

Konsequente Anwendung kann zu einer Revolution führen

 

Westernreiter: Welcher Gedanke steht grundsätzlich hinter den Änderungen zu den Jungpferdeprüfungen?

Jörg Bös : Das Ziel ist, das Pferd an den Turniersport heranzuführen. Und dies eben auf der Basis einer korrekten Ausbildung, schonend und mit einer langlebigen Perspektive. Das fundamentale Gerüst ist also die Ausbildungsskala.

 

Westernreiter: Warum ist eine solche Ausbildungsskala nötig?

 

Jörg Bös: Da muss ich kurz etwas ausholen. Das Pferd ist nun mal nicht prinzipiell ein Reittier, sondern wird erst durch die korrekte Ausbildung tragfähig und wieder ins Gleichgewicht zurückgeführt. Das „normale“ Leben eines Pferdes sah doch so aus: Viele Stunden im Schritt, grasend durch die Steppe wandernd. Wir im Reitsport aber fordern beispielsweise über eine Stunde intensive Arbeit in allen drei Grundgangarten. Und dies leisten zu können, muss die Muskulatur des Pferdes dazu in die Lage versetzt werden, ohne dasss dem Pferd körperliche und geistige Schäden entstehen.

 

Westernreiter: Ist das mit dem Begriff der „Losgelassenheit“ zu übersetzen?

 

Jörg Bös: Der Takt ist die Grundstufe dafür, dass sich das Pferd überhaupt loslassen kann. Nur ein losgelassener Muskel führt zur Effizienz in der Arbeit. Und nur ein losgelassenes Pferd kann die Hinterhand so aktivieren, dass es tragfähig wird.

 

Westernreiter: Warum ist die Hinterhand so wichtig?

 

Jörg Bös: Wir brauchen ein aktives Hinterbein, damit der Schwung über den schwingenden Rücken geleitet wird. Dadurch entsteht eine runde Bewegung. Diese geht mit dem geringsten Verschleiß einher. Auch das Geraderichten des Pferdes ist wichtig: Die Gewichtsverteilung auf alle vier Beine wird gleichmäßig und eine Überbelastung bzw. der Verschleiß wird geringer.

 

Westernreiter: Das Ergebnis ist also ein gesundes Pferd?

 

Jörg Bös: Die korrekte Anwendung der Ausbildungsskala führt als Ergebnis zur Harmonie zwischen Reiter und Pferd. Also etwa nicht zu einem verspannten Pferd oder einem Pferd mit dem Kopf deutlich hinter der Senkrechten. Es passiert dann beispielsweise auch nicht, dass man ein Pferd in der Pleasure langsam macht, indem man es auf zwei Hufschlägen reitet.

 

Westernreiter: Warum kommt denn diese grundlegende Erkenntnis erst heute?

 

Jörg Bös: Das Westernreiten hat sich von einer Arbeitsreitweise zum Leistungssport entwickelt, ohne dass dafür die Ausbildung und Gymnastizierung definiert und gelehrt wurde. Auch konnte man sie bisher nicht immer im Richtsystem wieder finden. Trotzdem hat dies weitgehend funktioniert, wenn auch mehr aus dem Gefühl und Einzelerkenntnissen heraus. Leider unterlagen jedoch die Pferde teilweise einem zu schnellen Verschleiß.

Jetzt haben wir dazu gelernt und es ist höchste Zeit, diesen deutlichen Schritt nach vorne zu gehen, wie es die EWU tut.

 

Westernreiter: Das hört sich schon nach großen Änderungen weit über die Jungpferdeprüfung hinaus an?

 

Jörg Bös: Wenn diese Änderungen bei der Jungpferdeprüfung wirklich gelebt werden, dann bin ich davon überzeugt, dass es auch eine Gesamtveränderung im Richtsystem – also auch bei den anderen Disziplinen – geben könnte. Fakt ist, dass die neue Messlatte auf alle Disziplinen angelegt werden könnte. Dies macht auch deshalb Sinn, weil wir es so ja auch schon in der Trainer-Ausbildung lehren und prüfen. Aber es ist schon klar: Diese Entwicklung käme einer Revolution gleich.

 

Quelle: westernreiter.com