15-09-06

 

 

DIE RÜCKKEHR VON AVALON - in den Turniersport

von Esther Kleh

Fotos: Martin Haasenritter

Avalon hat wieder ein Schleifchen gewonnen. In der Pleasure beim Wertungsturnier in Neuhofen hatte sich der Zweibrücker Wallach gelassen und geschmeidig gezeigt, und auch beim Trail überzeugte das große Warmblut neben den kompakten Criollos, Quarter Horses und Haffis und setzte die großen Füße punktgenau.

 

 

Kaum zu glauben, dass Avalon noch vor zwei Jahren auf dem OP-Tisch lag. Hufrollenentzündung und degenerative Veränderungen in den Sprunggelenken konnten nur noch operativ behandelt werden. Eine Garantie für die vollständige Wiederherstellung des bis dahin so erfolgreichen Western-Pferdes konnten die Ärzte nicht geben. Hufrolle, Arthrose: Horror-Diagnosen für jeden Pferdebesitzer ! Wieder ein Pferd mehr, das "nur noch bedingt reitbar" ist, mit dem man "nur noch ein bisschen ins Gelände gehen" kann. Oder dem man im schlimmsten Fall einen Gnadenbrotplatz suchen muss oder noch schlimmer….. Aber Eva Sutter aus Stadecken-Elsheim gab ihren Avalon nicht auf. Trainings- und Turniererfolge in der Westernszene, in der sie als Exoten gehandelt wurden – Zweibrücker sind ja eigentlich für den Dressur- und Springsport gezüchtet - hatte die beiden über lange Jahre zusammengeschweißt. Aus dem temperamentvollen großrahmigen Warmblut hatte Eva mit viel Geduld und Arbeit ein gelassenes und wendiges Westernpferd gemacht, einen Schleifchen-Abräumer auf EWU-Turnieren. Das kann doch jetzt nicht alles umsonst gewesen sein. Außerdem hing Eva auch so an ihrem Avalon, auch ohne Turniere. Das Schicksal meinte es gut mit den beiden. Eva zog nach Avalons Operation ihrer Stallfreundin Nina hinterher, die mit ihrem Vollblutmix Schiwong (Avalons Busenfreund) den Stall wechselte. Die dortige Stallbesitzerin Anne Hoffmann ist ausgebildete DIPO-Osteotherapeutin. Ihre Pferde - sie hält und züchtet Vollblutaraber, manche englisch, manche western geritten - sind körperlich und seelisch auffallend ausgeglichen, leistungsbereit und praktisch nie krank. Annes Geheimnis: sie behandelt und trainiert sie den osteotherapeutischen Grundsätzen entsprechend. Als Eva die Haltung und Betreuung von Annes eigenen Pferden beobachtete, von denen jetzt auch ihr Pferd profitieren konnte, holte sie bei Anne Rat ein, wie man speziell den rekonvaleszenten Avalon bei seiner Reha unterstützen könnte. Denn wie man ja längst aus der Humanmedizin weiß, ist mit der richtigen Therapie nach einem körperlichen Trauma so einiges machbar, man muss es halt nur machen und nicht resignieren. Deswegen wurde Avalon nach der Operation nicht mitleidig in die neue Box gestellt, sondern schrittweise und vorsichtig von Anne Hoffmann wieder aufgebaut. Am Anfang der Therapie stand natürlich erst einmal die Befundaufnahme. Zuerst erkundigte sich Anne nach Avalons Vorgeschichte, den früheren Erkrankungen, organischen Problemen und kontrollierte dann noch Hufe und Zähne. Anschließend führte Eva ihr Pferd im Schritt und Trab vor, so dass Anne seine Bewegungen beurteilen konnte. Dann folgte die Befundaufnahme an Avalon selbst. Dazu strich Anne den gesamten Körper ab, um Erwärmungen, Schmerzpunkte oder Muskelverspannungen aufzuspüren. Anschließend wurden alle Gelenke dreidimensional durchbewegt. Anne konnte dann aufgrund der Bewegungsqualität erspüren, wo die speziellen Blockaden des Pferdes saßen.

 

 

Hatte sie Blockaden aufgespürt, löste sie diese durch bestimmte Grifftechniken auf oder ließ das Pferd die Blockade selbst auflösen, indem sie an Avalon bestimmte Reflexpunkte aktivierte. Das Pferd wird dadurch veranlasst, bestimmte Reflex-Bewegungen zu machen, die das blockierte Gelenk wieder in den Normalzustand bringen. Natürlich darf das einzelne Gelenk nicht isoliert betrachtet werden, der gesamte Bewegungsapparat steht in einem Zusammenhang und bildet mit Muskeln, Sehnen, Organen eine Einheit. Läuft ein "Rädchen im Getriebe" nicht rund, leidet der gesamte Organismus.

 

 

Nach dieser ersten Behandlung dauerte es einige Zeit, bis sich bei Avalon das neue Körpergefühl gesetzt hat. Für das Pferd fühlte sich zunächst alles falsch an. So ähnlich, wenn der Trainer unseren Sitz korrigiert und wir immer wieder in unsere alte Körperhaltung zurückfallen, weil es sich für uns bequemer anfühlt. Das Bequemfühlen in der falschen Haltung muss auch der Reiter erstmal loswerden, bevor er ohne Korrektur des Reitlehrers richtig sitzt. So geht es auch dem Pferd, das die neue unblockierte Bewegung zunächst als unbequem empfindet, weil es sich ja lange Zeit ganz anders angefühlt hatte. Das Pferd weiß natürlich nicht, was auf lange Sicht gut für es ist und versucht immer, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Aber wie heißt es so schön: "Der Reiter formt das Pferd". Deshalb musste Eva jetzt dranbleiben, damit Avalon nicht in alte, falsche Bewegungsmuster zurückfällt. Anne hatte ihr einen Trainingsplan für die nächsten Wochen aufgestellt. Dazu gehörten die Massage der verspannten Muskeln und vorsichtige Dehnungen. Man kann sich vorstellen, dass Massage und Stretching auch dem Pferd gut tun.

 

 

Dann kamen Übungen an der Longe, bevor sich Eva wieder auf Avalons Rücken setzte. Man musste bedenken, dass Avalon schon einige Zeit lang seine „gesunde“ Seite stärker belastet hatte, um die schmerzende Seite zu schonen. Dieses ungleiche Kräfteverhältnis musste erst reguliert werden, bevor mit dem Training im Sattel angefangen werden konnte. Die Muskelkraft wurde sowohl allgemein gesteigert, als auch gezielt an strategischen Stellen. Das Longieren im Round Pen mit dem so genannten DIPO-Trainer™ stand zunächst auf dem Programm. Der DIPO-Trainer™ ist eine Art Ausbindezügel, der dem Pferd ohne Druck den Weg nach Vorwärts-Abwärts weist. Die Spaziergänger, die an der Untermühle in Köngernheim vorbei gingen, blieben oft irritiert am Round Pen stehen, denn Avalon hatte zu der seltsamen Konstruktion am Kopf noch ein quietschgrünes Gymnastikband ums Hinterteil geschlungen. So hatte er ein besseres Körpergefühl. Er konnte die Länge der Tritte der Hinterhand besser einschätzen, denn er fühlte den Ausgangspunkt der Energie bewusster. Auch Reitbeteiligung Dagmar wurde in den Trainingsplan eingewiesen, so dass dieser jeden Tag gewissenhaft durchgezogen wurde.

 

 

Das folgende Aufbautraining vom Sattel aus machte Pferd und Reiter auch Spaß. Ausritte ins Gelände im rheinhessischen Hügelland waren sowieso beliebt, und der von der Stallgemeinschaft selbst angelegte Trailparcours kam auch Avalons Turnierdisziplin nahe. Bei Arthrosepferden wie Avalon war jetzt auch ganz wichtig, die angegriffenen Gelenke nicht übermäßig belasten. Eine deutliche lange Aufwärmphase gehörte nun bei jedem Training dazu. Außerdem sollte er keine engen Wendungen mehr machen, auch Stopps und Spins sind für immer streng verboten, aber das war sowieso nie Avalons Disziplin. Auch sollte die Hinterhand nicht bis zum Maximum belastet werden.

 

Nach Avalons Wiederherstellung machte sich Eva Gedanken, wie sie einen Rückfall bei ihm vermeiden konnte. Die Grundbedingungen waren in Annes Stall schon mal gewährleistet, da dort großen Wert auf pferdegerechte Haltung gelegt wird. Das ganzjährige Koppelleben in der Gruppe bietet den Pferden nicht nur artgerechte Sozialkontakte, sondern bedeutet auch für den ganzen Bewegungsapparat optimale Bedingungen. Ständige Vorwärts-Bewegung mit gesenktem Kopf über die Wiese schmieren die Gelenke und halten die Muskeln auf Betriebstemperatur. Der spontane Spurt mit den Kumpels kann so vom Bewegungsapparat leicht weggesteckt werden und endet nicht gleich mit Zerrungen, wie es bei "kalten" Pferden schon mal vorkommen kann. Ein weiterer ganz wichtiger, aber in der gesamten Reiterszene erschreckend vernachlässigter Faktor ist der passende Sattel. Der Fund eines solchen ist nicht einfach, und er kann ins Geld gehen. Da darf man sich nichts
vormachen. Wenn ein Pferd endlich mal aufmuckt oder die Sattellage wund ist, ist es eigentlich schon zu spät. Mit dem richtig passenden Sattel kann viel Pferdeelend vermieden werden. Die Überprüfung der Passform gehört auch zur Aufgabe eines Osteotherapeuten. Anne rät bei Sattelproblemen, sich an einen kompetenten Sattler zu wenden, der den Sattel, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit ihr, umpolstert oder wenn es gar nicht mehr geht, einen neuen anpasst. Avalons sorgfältig angepasster Westernsattel war glücklicherweise in Ordnung und konnte so bleiben.
Auch eine zu enge Verschnallung der Trense oder zu scharfe Gebisse erzeugen Blockaden im Kiefergelenk des Pferdes, die sich zu Blockaden in der Halswirbelsäule und Muskelverspannungen fortpflanzen. Avalons Westernzäumung war da O.K. Eine Zahnkontrolle, oft vernachlässigt, vervollständigte die Analyse. Es kommt bei Pferden gar nicht so selten vor, dass Verspannungen und Blockaden durch Fehlstellung der Zähne ausgelöst werden. Bei Avalon war auch da alles in Ordnung.

Wegen Avalons schon vorher von Tierärzten diagnostizierte Fehlstellung der Beine war eine enge Zusammenarbeit mit dem Schmied nötig. Glücklicherweise kommt in den Köngernheimer Stall ein sehr erfahrener und engagierter Schmied mit Turniererfahrung, der für Avalon den optimalen Beschlag und den richtigen Beschlagrhythmus herausfand.

Das klingt alles nach viel Aufwand, aber es hat sich gelohnt. Avalon kann ganz normal und ohne Schmerzen wieder geritten werden, sogar wieder turniermäßig.

 

 

Zum Schluss noch ein Wort zu den Kosten: Kompetenz will bezahlt werden. DIPO-Therapeuten sind Pferde-Leute, die eine teure und schwere Ausbildung auf sich nehmen um Pferden zu helfen. DIPO-Therapeut wird keiner in einem Wochenendkurs für selbsternannte Experten, sondern durch eine seriöse FN-anerkannte Ausbildung am Deutschen Institut für Pferde-Osteopathie (DIPO). Erstmal werden nur approbierte Tierärzte, Humanmediziner und Staatlich geprüfte Physiotherapeuten zur Ausbildung zugelassen, Menschen also, deren anatomisches Verständnis und die Eignung für therapeutische Berufe bereits von offizieller Stelle streng geprüft wurden. Die zweijährige Ausbildung ist auch nicht gerade billig und muss von den Auszubildenden selbst bezahlt werden. Nur, wer diese Mühen und Kosten nicht scheut und am Ende auch noch die anspruchsvolle Abschlussprüfung besteht, darf sich am Ende DIPO-Osteotherapeut nennen. Die Kosten des Pferdebesitzers, der sich einen solchen wirklichen Experten engagiert, sind gemessen am Ergebnis, ein ohne Schmerzen reitbares Reitpferd, letztendlich nicht so hoch, wie es vielleicht zunächst scheint. Ohne richtige Befundaufnahme viele "billige" Therapien auszuprobieren, bei denen die Qualität nicht stimmt, kostet vielleicht sogar noch mehr Geld. Und am Ende hat es vielleicht gar nichts gebracht. Mal ehrlich, wie viele Pferde kennt man im eigenen Umfeld, die immer mal wieder nur eingeschränkt reitbar sind, obwohl viel an ihnen herumgedoktert wird? Pferde mit vorzeitigen Verschleißerscheinungen wie Spat, Arthrose, Hufrollenentzündung, schlecht verheilten Verletzungen, hoher Verletzungsneigung oder widersetzlichem Verhalten kennt man doch aus jedem Stall. So etwas nehmen wir Reiter doch fast als normal hin. Aber wenn wir uns schon dafür entschieden haben, uns auf ein Mitgeschöpf zu setzen, das von der Natur nicht dafür vorgesehen ist, haben wir auch die Verantwortung dafür übernommen, dies ohne größeren Schaden zu tun. Ein Reitpferd muss auf seine Aufgabe nun mal vom Reiter vorbereitet werden.
Und das ist mit Aufwand verbunden. Was wir bei Haltung und Training falsch machen oder schleifen lassen - sei es aus Unwissenheit, Faulheit oder falscher Sparsamkeit - rächt sich früher oder später an der Pferdegesundheit. Dass es auch Happy Ends geben kann, zeigen Eva und Avalon, die es mit der professionellen Hilfe von Anne Hoffmann geschafft haben, wieder zusammen zu reiten. Seit letzter Saison sind die beiden auf den Plazierungslisten der EWU zu finden. Und dieses Jahr geht es weiter!

 

 

Infos zu Pferdeosteotherapie:

 

Anne Hoffmann
DIPO-Pferdeosteotherapeutin
55278 Köngernheim (bei Mainz )
Tel: 06737- 71 05 73
Mobil: 0179 – 466 355 9
mail@annehoffmann.de

www.annehoffmann.de